Mit dem Narrenbäumlesetzen stimmt sich die Kißlegger Narrenzunft auf die Fasnet ein
Eine merkwürdige Szenerie: Männer und Frauen mit grünen Gießkannen stehen um eine kleine Tanne, besingen sie und sagen Gedichte auf. Das alles unter den Augen von knapp 200 Zuschauern und begleitet von Trommel- und Fanfarenklängen: „Liabe Leut jetzt saget blos, was ischt heut blos z‘ Kißlegg los? – Juppheidi und juppheida heut goht d‘ Fasnet a!“ Der Text klärt auf: Mit dem Narrenbäumlesetzen stimmt sich die Narrenzunft Kißlegger Hudelmale seit über 50 Jahren am 11. 11. um 11.11 Uhr auf die kommende Saison ein. Das „Bäumle“, das die Zunftspitze begießt, soll symbolisch für den noch kleinen Narrenbaum stehen, der bis zur Fasnet noch wachsen muss. Mit Spannung erwartet wird dabei alljährlich auch das Motto für die nächste närrische Saison. Unter den Klängen des „Einzugs der Gladiatoren“ wurde es von Zunftmeister Hajö Schuwerk verkündet: „Kißlegger Kokolores – So ein Zirkus“. Der Flecken soll im Februar also zur Manege werden. Mittels „Halbglatzen-Perücke“ wurde Bürgermeister Dieter Krattenmacher dabei kurzer Hand zum Clown gemacht. „Ist ja eigentlich wie immer, nur dass an der Seite die Haare rot sind“, war seine humorige Antwort. Zunftmeister Schuwerk bot ihm allerdings an, bis zum Gumpigen Donnerstag die Rolle im Zirkus noch zu wechseln: „Du kannst alles werden, nur wer der Zirkusdirektor wird, das steht schon fest“, sagte Schuwerk und meinte dabei in närrischer Bescheidenheit sich selbst. In seinem Sprüchle an den Narrenbaum thematisierte der Rathaus-Chef den Narrenbrunnen, der vor einiger Zeit mit einem Kupferdeckel versehen wurde und in dem kein Wasser mehr plätschert: „Ein Brunnen von Edwin Müller und Heinz Linder ersonnen / von mutigen Männern und Frauen begonnen / von Künstlern geschaffen, von Kißlegg verehrt / das war damals bestimmt einen Asbach Uralt wert / Geld hat man da gebraucht, eine ganze Masse / drum steht er wahrscheinlich auch vor der Sparkasse / und sehr zur Freude von Jung und alt / hat das Wasser fortan unseren Flecken beschallt / doch hat das Plätschern womöglich jemand gestört / oder haben Sie da was gehört? / Des Brunnens Schicksal nahm seinen Lauf / und plötzlich war ein Deckel drauf / so wurde aus dem Narrenbrunnen mit einem Mal / ein trockenes aber wahrscheinlich ehrwürdiges Narren-Mahnmal.“ Doch auch der Schultes selbst hatte nichts zum Plätschern dabei. Es sei ihm sehr peinlich, aber auf dem Weg vom Rathaus zum Narrenbrunnen habe er seine Gießkanne verloren. Auf Krattenmachers Sprüchle konterte Schuwerk in närrischer Gegenrede: „Also Dieter, wenn du so über unseren Brunnen sprichst, würden wir zukünftig direkt noch eine Heizung beantragen, dass man den im Winter nicht mehr abdecken muss, und außerdem wär’ eine kleine Verlagerung in Richtung Rathaus auch nicht schlecht.“ Auch einen weiteren Schwachpunkt in Kißleggs Fasnet-Infrastruktur griff der Zunftmeister auf. Krattenmacher solle doch endlich für ein Narrenbaumloch sorgen. Hierfür gab Schuwerk ihm eine Definition mit auf den Weg: „Ein Loch ist eine Stelle, wo nichts mehr ist, aber vorher etwas war.“